Der Maya Kalender |
Kapitel 2: Das Korrelationsproblem |
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Unter all den Problemen, mit denen sich die Mayaforscher heute beschäftigen, ist das sogenannte Korrelationsproblem von herausragender Bedeutung. Eine eindeutige Lösung des Problems würde es der Mayaforschung ermöglichen, das Phänomen der Mayazivilisation in einen Zeitrahmen zu bringen, der sich mit unserem eigenen in Beziehung setzen lässt. Das Korrelationsproblem ist die Aufgabe, ein bestimmtes Mayadatum zu finden, zu dem sich eindeutig und zweifelsfrei ein gregorianisches Datum bestimmen lässt. Ist dies einmal geschehen, so kann man ein Mayadatum in ein gregorianisches Datum umwandeln und umgekehrt. Ohne eine Lösung des Problems sind wir zwar auch in der Lage, ein Datum zu bestimmen, z.B. das Todesdatum von Lord Pacal, dem großen Herrscher von Palenque. Es lautet 9.12.11. 5.18., 6 Edznab 11 Yax. Ob sich dieses Datum vor oder nach dem Fall von Rom oder etwa zur Zeit der Krönung Karls des Großen zugetragen hat, ist nicht eindeutig belegbar.Als "Korrelationszahl" C ist diejenige Zahl festgelegt, die uns erlaubt Mayadaten und Europäische Datumsangaben zu korrelieren. Sie kann als julianische Tageszahl definiert werden,die dem Nulldatum der Mayas im Long Count 0. 0. 0. 0. 0. entspricht. Irgend ein Datum X des Long Count kann dann bestimmt werden, indem man zu X (notiert als eine ganze Dezimalzahl) die Korrelationszahl C hinzuaddiert. Z.B. behauptet Smiley [62] eine Korrelationszahl mit C = 482 699. Demnach würde das Long Count Datum 9.16. 4 10. 8 (= 1 412 848 Tage) zur Tageszahl 1 895 547 = 1 412 848 + 482 699 in julianischer Zählung korrelieren. Die julianische Zählweise kann leicht in ein gregorianisches bzw. julianisches Datum umgerechnet werden. Im julianischen Kalender entspricht die julianische Zahl 1 895 547 dem Datum vom 477-09-22. Als gregorianisches Datum ergibt sich der 477-09-23.
Wie oben schon bemerkt, wurden viele Long Count Daten in den Inschriften zusammen mit den Tzolkin/Haab Daten notiert. Das Datum einer Inschrift auf einer Stele in Quirigua wird mit 9.14.13.4.17 12 Caban 5 Kayeb, angegeben. Daraus folgt, dass der vorherige Tag ( L.C. = 9.14.13.4.16.) im Tzolkin/Haab Kalender das Datum 11 Cib 4 Kayab besitzt. Verfolgt man das System rückwärts durch die vollständige Folge der Long Count Zahlen, dann findet man das Tzolkin/Haab Datum des Nullpunktes 0. 0. 0. 0. 0. Es ist 4 Ahau 8 Cumku. Das Startdatum der Maya-Ära von 13 Baktun ist 0. 0. 0. 0. 0. 4 Ahau 8 Cumku. Daraus folgt, dass sich die Tageszahl in julianischer Zählung, die einem Long Count Datum entspricht, aus der Summe der Korrelationszahl C ( = Tageszahl in julianischer Zählung) 0. 0. 0. 0. 0. 0. 4 Ahau 8 Cumku) und der Tageszahl des Long Count Datums berechnet.
Die grundsätzlichen Anforderungen, die eine geeignete Korrelationszahl erfüllen sollte, sind:
- Übereinstimmung mit den Daten der Venustabelle im Kodex Dresden
- Übereinstimmung mit möglichst vielen Tzolkin-Kalendern, die bei den Mayastämmen die Zeit der spanischen Eroberung und danach überlebt haben
- Bezug zu den entsprechenden Aufzeichnungen des Bischofs Landa aus dem 16.Jahrhundert
- Übereinstimmung mit den aztekischen Aufzeichnungen über die Ankunft von Cortez in Mexico
- Übereinstimmung mit den astronomischen Daten über die Monddaten, die auf den Stelen vermerkt sind
In der Mayaforschung sind verschiedene Korrelationszahlen vorgeschlagen worden. Eine Liste der in der Diskussion befindlichen Korrelationszahlen befindet sich in Severin [61]. Die meistens modernen Mayaforscher bevorzugen übereinstimmend die Korrelationszahl C = 584 283 nach Sir J.Eric S. Thompson. Sie ist unter dem Namen Thompson-Korrelation (oder auch die modifizierte Thompson 2 Korrelation) bekannt. Die Variationen der anderen Mayaexperten weichen z.T. erheblich voneinander ab. Smiley favorisiert die Zahl C = 482 699, während Weitzel eine Korrelationszahl von C = 774 078 angibt. Für das Nulldatum 0. 0. 0. 0. 0. 4 Ahau 8 Cumku der Mayas erstreckt sich die Unsicherheit der Forscher über einen Bereich vom 26.Juni -3391 G (Smiley) bis zum 3.April -2593 G (Weitzel). Für das Ende der Maya-Ära von 13 Baktun schwanken die Daten zwischen dem 5.November 1734 G und dem 12.August 2532. Für einige Mayaforscher ist also die bedeutungsvolle Zeiteinheit von 13 Baktun schon längst beendet, für andere liegt sie noch in unserer Zukunft. Akzeptiert man die Thompson-Korrelation, so beginnt die Maya-Ära am 11.August - 3113 und endet am 21.Dezember 2012 in gregorianischer Rechnung.
Allerdings finden sich auch in Bezug auf die Thompson-Korrelation in der Literatur seltsame Unklarheiten. Einige Autoren nennen das Jahr -3114 als das exakte Jahr des Nulldatum 0. 0. 0. 0. 0. 4 Ahau 8 Cumku. Möglicherweise handelt es sich um eine Unkenntnis der astronomischen Konvention: -3113 = 3114 v.Chr.
Tedlock [67] berichtet, dass die Mayas, mit denen sie zusammenarbeitete, den 2.März 1977 eindeutig als das Tzolkin Datum 4 Ik identifizierten. Dieses und andere Daten, die sie in ihrem Bericht nennt, sind mit der Thompson-Korrelation konsistent. Severin [61] gibt einen kritischen Bericht über die verschiedenen Korrelationszahlen und stellt fest, dass die Thompson-Korrelation von den vorhandenen Daten am Besten gestützt wird.
Es gibt einen Weg, diese Sache endgültig zu entscheiden. In einem der Maya-Kodizes müsste sich ein klarer Hinweis auf eine Finsternis finden, die auch von den modernen Astronomen im europäischen Kalendersystem bestätigt werden kann. Sonnenfinsternisse erweisen sich hier als vielversprechende Kandidaten, da sie nur in begrenzten Gebieten sichtbar sind (im Gegensatz zu den Mondfinsternissen, die überall auf der Nachtseite der Erde gesehen werden können). Sie sind in Regionen, die die Maya bewohnten, ein eher seltenes Ereignis. Mehrere Gelehrte (z.B. Owen [46] und Smiley [62]) haben unter den Daten von bekannten astronomischen Ereignisse nach Übereinstimmungen gesucht, die sowohl im Kalendersystem der Europäer als im Kalendersystem der Mayas identifizierbar sind. Trotz verzweifelter und kühner Versuche haben sich ihre Ansätze als nicht überzeugend herausgestellt.
Es sei hier noch angemerkt, dass das Tzolkin/Haab Datum 4 Ahau 8 Cumku für das Nulldatum 0. 0. 0. 0. 0 der aktuelle Maya-Ära zwar bekannt ist, doch daraus folgt nicht, dass das Nulldatum anderer Maya-Epochen mit 4 Ahau 8 Cumku identisch ist. Das Tzolkin Datum 4 Ahau gehört zu jedem Nulldatum einer Maya-Epoche, da die Zahl 1 872 000 (= Anzahl der Tage in einer Maya-Ära) durch 260 (= Anzahl der Tage des Tzolkin) ohne Rest teilbar ist. Anders verhält es sich mit dem Haabdatum. Die Zahl 365 (= Tage des Haabkalenders) ist nicht Teiler von 1 872 000, daher variiert der Haabtag des Nulldatums. Mit der Thompson-Korrelation ergeben sich für die gegenwärtige, die vorhergehende und die nachfolgende Maya-Epochen die folgenden Kalenderdaten in Bezug auf das Nulldatum:
Maya-Epoche Tzolkin/Haab Gregorianisch nächste 4 Ahau 3 Kankin 21.12. 2012 gegenwärtig 4 Ahau 8 Cumku 11. 8.-3113 vorherige 4 Ahau 8 Zodz 1. 4.-8238 vorherige 4 Ahau 13 Mo 20.11.-13364 vorherige 4 Ahau 18 Ceh 12. 7.-18489 vorherige 4 Ahau 3 Kayeb 1. 3.-23614 vorherige 4 Ahau 3 Zip 19.10.-28740Wir können zwar dem Nulldatum der Maya-Epoche ein äquivalentes Datum in unserem modernen Kalender zuordnen, doch bleibt dann noch eine wichtige Frage offen. Welchen Grund hatten die Mayas für die Wahl dieses speziellen Nulldatums, das weit über ihre eigene Vergangenheit hinausreicht? Bei der Diskussion des Hindu-Kalenders erwähnt Aveni eine Konjunktion aller sichtbaren Planeten im Sternbild des Widders, die sich um Mitternacht des 17./18. Februars im Jahre 3100 v.Chr. ereignet haben soll ([5], S.130). Dieses astronomische Ereignis liegt erstaunlich nahe zum Jahr 3114 v.Chr. des Nulldatums der aktuellen Maya-Ära unter Berücksichtigung der Thompson-Korrelation.
Möglicherweise wussten die Mayas von diesem außergewöhnlichen Ereignis und markierten damit den Beginn einer kosmischen Zeiteinheit. Da sich alle sichtbaren Planeten niemals vollständig in einer exakten Linie befinden, ist es schwierig, ein genaues Datum einer derartigen Konstellation zu fixieren. In diesem Sinne könnte ein Differenz von 14 Jahren aus einer speziellen Methode der Berechnung und der besonderen Wahl der Konstellation resultieren. Obwohl es im Jahre 3114 v.Chr. mit Sicherheit keine Mayabeobachter des Ereignisses einer außergewöhnliche Konstellation gegeben hat (den damals gab es die Mayas überhaupt noch nicht), ist die Annahme berechtigt, dass das astronomische Wissen der Mayas ausreichte, die Positionen der Planeten in einer weit entfernten Vergangenheit zu berechnen. Severin [61] behauptet, dass die Mayas tatsächlich diese Fähigkeit der Berechnung der Bahnen der Planeten besaßen. Außerdem soll den Mayas die Periode der Präzession des Frühlingspunktes bekannt gewesen sein. (Diese Periode umfaßt ungefähr 25 627 Jahren und entspricht ziemlich genau 5 Maya-Epochen zu jeweils 13 Baktun.)
All diese Behauptungen, dass die Mayas eine fortgeschrittene Astronomie beherrschten, insbesondere die Thesen, die aussagen, dass die Mayas die Größe der Galaxie kannten, usw., sollten genau geprüft werden. Es ist verführerisch anzunehmen, dass die Mayas im Besitz esoterischen Wissens waren. Möglicherweise waren sie es, aber wir können wohl kaum den Beweis dafür antreten.
Betrachten wir z.B. die Tatsache, dass das Licht eine endliche Geschwindigkeit besitzt. Diese Tatsache wurde in Europa erst im 17.Jahrhundert entdeckt, als Olaf Römer unter Verwendung eines der ersten Teleskope die Monde des Jupiter beobachtete. Besaßen die Mayas optische Geräte? Oder Teleskope irgendeiner Art? Kein Beweis darüber ist bisher erbracht worden. Wenn sie also keine technischen Geräte anwendeten, wie konnten sie herausfinden, dass sich das Licht mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet? Und falls sie dieses Wissen nicht besaßen, dann hätten sie auch nicht in Erfahrung bringen können, dass das Licht 100 000 Jahre benötigt, um unsere Galaxie zu durchqueren.
Obwohl die Mayas offensichtlich keine Technologie mit hoher Präzision anwendeten, die Entdeckungen vergleichbar denen der europäischen Wissenschaften ermöglicht hätten, so besaßen sie doch eine Informationsquelle, die für sie leicht verfügbar war, nämlich den Psilocybin-Pilz. Es ist denkbar, dass die Mayas esoterisches Wissen mit seiner Hilfe erreichen konnten. Es ist nicht notwendig, die Mayas in den Status einer galaktischen Rasse zu erheben, einzigartig auf der Erde. Denn die Quellen ihres Wissen vom Kosmos, ob es sich dabei um Beobachtungen des Himmels oder Beobachtungen der inneren psychischen Landschaft handelt, sind für uns ebenso leicht erreichbar.
"Linda Schele und David Freidel, anders als die meisten Mayaexperten, unterstützen weiterhin die Arbeit von Floyd Lounsbury, indem sie die 584285-Korrelation favorisieren. Diese liegt 2 Tage von der Thompsonkorrelation entfernt, die ich verwende. Der entscheidende Faktor für die Unterstützung der Thompsonkorrelation von 584 283 ist die Tatsache, dass sie mit der Tzolkinzählung korrespondiert, die immer noch im Hochland von Guatemala verwendet wird. Um dem Unterschied in ihrer Korrelation Rechnung zu tragen, erklärt Lounsbury, dass sich die Zählung vor der Eroberung um zwei Tage verschoben hat (nicht sehr wahrscheinlich), um die gegenwärtige Verschiebung zu erklären. Das bedeutet, dass beide Korrelationen den 21.Dezember als Enddatum angeben. Trotzdem geben Schele und Freidel den 23.Dezember als Enddatum an, statt den 21.Dezember 2012. Ein unglücklicher Faux Pas, verständlich, da sie nicht besonders in den Spezifikationen der Korrelatiosndebatte interessiert waren. Ein detailierte Diskussion dieses Thema wird in meinem Buch Tzolkin: Visionary Perspectives and Calendar Studies. " — John Major Jenkins, The How and Why of the Mayan End Date in 2012 A.D.
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